Das Jahresende ist traditionell die Zeit der Retrospektiven und des Rückblicks. Für mich geht ein ereignisreiches Jahr zu Ende. Ein neues Team zusammengeführt, viele Innovationen und Projekte initiiert und vorangetrieben, ein hektisches Jahr.
Gleichzeitig hatte ich Gelegenheit, mich mit vielen Menschen auszutauschen, Gedanken und Ideen zu teilen. Dabei wurde mir immer bewusster, wie wichtig mir das Thema „Führung“ ist. Warum bin ich eigentlich Führungskraft geworden? Wie wird man eine gute Führungskraft? Und was macht eine Führungskraft aus?
Die erste Frage ist für mich am einfachsten zu beantworten. Ich möchte in meinem Leben (und dazu zählt selbstverständlich auch mein Arbeitsleben), Verantwortung übernehmen. Ich möchte meinen Mitmenschen etwas geben, ihnen die Welt ein wenig besser gestalten! Daher ist es mir nicht wichtig Führungskraft zu sein… Status und Titel sind mir egal. Viel wichtiger ist es, dass ich gestalten darf. Darauf kommt es mir an.
Oftmals werden Menschen Führungskräfte, die ihren bisherigen Job gut oder sehr gemacht haben. Dagegen spricht erstmal gar nichts. Doch werden die Qualifikationen einer Führungskraft, wie z. B. Kommunikation, Empathie, Sozialkompetenz etc. oftmals gänzlich außer Acht gelassen. Nicht selten wird eine Qualifizierung, eine stetige Fortbildung als nicht notwendig erachtet. „Ich habe ja jetzt mein Ziel erreicht, warum soll ich das denn jetzt noch tun?“ ist keine seltene Einstellung.
Viele Unternehmen verlangen von ihren Mitarbeitenden regelmäßige Fortbildungen und Qualifizierungen um „weiter zu kommen“. Ich habe einen Mitarbeitenden erlebt, der gezielt nachfragte: „Welche Fortbildungen macht die Führung?“. Die Antwort war betretendes Schweigen.
Was ich daran nicht verstehe: Gute Führung setzt Energie und Leistung frei, sorgt für geringere Fluktuation und längere Bindung der Mitarbeitenden mit höherer Leistungsbereitschaft. Wieso wird dieses Potential so leichtfertig weggeworfen? Da reden wir alle von Fachkräftemangel, New Work und Agilität sind aber nicht dazu bereit, das ureigentliche Potential unserer Unternehmen auszuschöpfen? Sind die Egos der Führungskräfte wirklich noch so groß, dass sie sich als unfehlbar fühlen? Oder liegt die Wahrheit in der Angst? Angst die Mitarbeitenden, mit neuen jungen Ideen sind besser als ich als Führungskraft? Macht das uns kaputt? Eines kann ich nach vielen Jahren als Mitarbeiter und Führungskraft sagen: Erfolgreich war bislang nur Teamwork! Neid und Konkurrenz haben nie langfristig Fortschritt gebracht.
Meines Erachtens sind die Zeiten von alleinwissenden Einzelkämpfern, hinter verschlossenen Türen mit einer wachenden Sekretärin heute vorbei. Eine gute Führungskraft hat Vertrauen auf den Rückhalt und die Unterstützung des Teams und nutzt dieses Potential. Jetzt könnte der Gedanke aufkommen „wenn das Team alles selbst organisiert, braucht es keine Führungskraft mehr!“.
Command&Control, das Überwachen und Steuern von Tätigkeiten fällt in selbstorganisierten Teams weg. Die Rolle der Führungskraft ist es, dafür zu sorgen, dass das Team bestmöglich performen kann. Sie versucht die Bedürfnisse des Teams zu erkennen und für die Erfüllung dieser Bedürfnisse zu sorgen. Eine gute Führungskraft ist heute Mentor und Coach, Supervisor und Wegbereiter. Eine stetige Aufgabe.
Unsere Unternehmen sind lebendige Organismen, welche ständig neue Beziehungen aufbauen oder verlieren oder verändern. Dieser Veränderung gerecht zu werden, ist sicherlich nicht leicht! Aber das ist die Aufgabe einer Führungskraft. Menschen führen, ihnen Halt geben und den Weg ebnen.
Und wie bekomme ich das hin?
Das Wichtigste zuerst: Sei nahbar! Unnahbarkeit schafft Distanz und sorgt für mangelndes Vertrauen! Und Vertrauen ist die Basis für gutes Teamwork und gegenseitige Unterstützung. Eine Führungskraft, die sich abgrenzt, vielleicht als Einzige/r gesiezt werden will, grenzt sich bereits durch sein Verhalten vom Team ab.
Höre zu und nimm dir Zeit! „Mich kann man doch jederzeit ansprechen!“ Diesen Satz habe ich schon öfter von Führungskräften gehört. Doch stimmt das wirklich? Die ehrliche Antwort lautet oftmals „Nein!“. Denn zwischen Tür und Angel sind wir oft nicht aufnahmebereit. Was hilft es, wenn die Tür immer offensteht und der Raum dahinter leer ist?
Deshalb halte ich es für enorm wichtig, meinen Mitarbeitenden Zeit einzuräumen. In einem Daily Standup des Teams werden jeden Morgen alle Sorgen und Nöte besprochen. Hier kommen bewusst nicht nur dienstliche oder berufliche Themen zur Sprache, sondern all das, was die Menschen bewegt. Gibt es Probleme? Alles in Ordnung? Beschäftigt dich was?
Und für die vertraulichen Themen, die nicht im Daily ihren Raum haben, sind private 4-Augen-Gespräche wichtig. Ich führe diese Gespräche gerne am Abend, ohne den Zeitdruck eines Folgetermins, vielleicht auch bei einem Essen.
Hier lenkt das Tagesgeschäft nicht ab. Messenger und Telefon haben Pause. Ich möchte mich auf den Gesprächspartner konzentrieren, insbesondere präsent und nicht abgelenkt sein. Ich möchte mir unvoreingenommen seine Meinung anhören, ihm alleinig zugewandt sein. Und wenn ich was nicht verstehe, frage ich nach, lasse es mir erläutern, gehe in den Austausch und hinterfrage.
Solche Gespräche haben in der Vergangenheit oft einen langen Nachhall erzeugt. Zum einen ist das Vertrauen zueinander meist noch intensiver geworden, zum anderen sind hierbei weichenstellende Entscheidungen gefallen. Viele solcher intensiven Gespräche sind mir auch heute, Jahre später, noch in lebhafter Erinnerung.
Ja, diese Form der Führung ist anstrengend und kann auch emotional belastend sein. Aber gleichzeitig trage ich als Führungskraft die Last nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit meinem Team. Mir bleibt da oft nur DANKE zu sagen.